Alkwin erblickte im Jahre 1225 das Licht der Welt. Seine Eltern stammten aus einfachen Verhältnissen. Sein Vater verdiente als Böttcher gerade genug um die Familie zu versorgen. Deshalb war es auch kein Wunder, dass Alkwin schon in früher Kindheit zur Arbeit herangezogen wurde. Zwar war die Arbeit hart und schmutzig, jedoch war der Fassbau für Alkwin mehr als nur Arbeit. Für Ihn war es jedes mal ein Wunder wie aus den krummen Daueben und dem groben Eisenring ein Fass zusammen hielt und die wundervollsten Getränke so von ihnen gehalten wurden. Diese Fas(s)zination lies ihn nicht mehr ruhig schlafen. Leider verstarben nach einigen Jahren sein Vater und seine Mutter in einem Feuer. Nun auf seine eigenen Füsse gestellt, übernahm er die Werkstatt seines Vaters und mit vierzehn Jahren begann er eigene Fässer zu bauen. Diese erlangten, schnell weit über sein Herkunftsdorf hinaus, einen Ruf als die Besten der Gegend. Fass um Fass erwarb er weitere Erfahrung und seine Fässer gewonnen immer mehr an Größe.
Eines Tages jedoch bestellte ein Diener des Lehnsherren Rudolf zu Münden ein lächerlich großes Fass. Vom Ehrgeiz gepackt nahm er in seinem Übermut diesen sich noch als schicksalsträchtig herauszustellenden Auftrag an. Nach einigen schlaflosen Nächten in denen er mit Kohle immer wieder Zeichnungen an den Wänden seiner bescheidenen Hütte anfertigte, stellte Alkwin fest, dass dieser Auftrag seine Fähigkeiten bei weitem übertraf. Niedergeschlagen fasste Alkwin allen seinen Mut zusammen und machte sich auf zum Sitz des Lehnsherren. Am Nebeneingang traf er den Diener, der ihm den Auftrag erteilt hatte. Reumütig gestand Alkwin, dass er das besagte Fass nicht bauen könnte und schlug dagegen vor, zwei halb so große Fässer zu fertigen. Der Diener war erzürnt. Wie sollte er dem Lehnsherr erklären, dass sein geliebtes Riesenfass nun nur zwei normale Fässer sein sollte. Außerdem wies er Alkwin daruf hin, dass er schon ein Drittel des vereinbarten Preises erhalten hatte und er verpflichtet sei das Fass wie versprochen zu liefern. Alkwin bestand darauf, dass er das Fass aber so nicht liefern könnte und das Gespräch eskalierte zu einem handfesten Streit. Um einem Handgemenge zu entgehen schlug Alkwin vor, dem Lehnsherren persönlich zu erklären dass er das Fass nicht bauen könnte. Widerwillig – um seinen Ruf bei seinem Herren fürchtend – akzeptierte der Diener diesen Vorschlag. Kurz darauf wurde Alkwin in die Kammer des Lehnsherren geführt.
Nun war er dort. Allein. Der Diener hatte den Raum bereits verlassen. Er empfand den Raum als viel zu groß, um nur allein in diesem Raum zu stehen. Im dämmerte aber, dass jeden Moment der Lehnsherr vor im stehen würde und er sich für sein Versagen recht zu fertigen habe. Er fing an zu schwitzen. Eine leichte Panik keimte in ihm auf und er dachte darüber nach sich aus dem Raum zu stehlen. Dazu kam es nicht mehr. Mitten in seinen Gedanken, öffnete sich das große Portal an der Nordseite des Raums mit einem ächzenden Quietschen. Sein Atem stockte – sein Herz raste. Der Lehnsherr war von beeindruckender Gestalt und betrat den Raum mit einer Ausstrahlung von Autoriät und Strenge. Alkwin schlotterten die Knie. „Wie zum Teufel sollte man diesem Mann sein versagen erklären?“ fragte sich Alkwin wieder und wieder. Ein Stille verbreitete sich im Raum – eine drückende, ihn fast zerquetschende, immer enger werdende Stille.
Der Lehnsherr brach das Schweigen mit einem „Seyd gerüßt werter Böttcher, mein Diener sagte mir ihr könnt mein gefordertes Fass nicht liefern“. Der Lehnsherr war bekann dafür, dass er kein Mann vieler Worte war, jedoch hatte Alkwin gehofft durch ein kleines Gespräch diesen unangenehmen Punkt erst später anzusprechen. Die Direktheit mit der Lehnsherr zu ihm spach, fühlte sich für ihn wie eine Speerspitze auf der Brust an. „Ich, äähh … Werter Herr … ja …“ stottere Alkwin. „Das ist aber sehr Schade.“, erwiederte der Lehnsherr in einem sehr ruhigen Ton. „Seht – es gibt einfach kei ..“ versuchte Alkwin zu erwidern. „Unsinn!“ unterbrach der Lehnsherr ihn. „Aber mein Herr…“ „Unsinn!“ schnitt ihm wieder das Wort ab. „Ihr seid bekannt als einer der besten Böttcher in der Region. Der Ruf euer Fässer ist exzellent. Und nun sagt ihr mir, dass Ihr mir meinen Wunsch nicht erfüllen könnt?“Alkwin fürchtete um sein Leben. Er wusste, dass der Lehnsherr ein sehr strenger Mann war.
Wieder machte sich diese bohrende Stille im Raum breit.
„Euer Vater war mir wohl bekannt.“ leitete der Lehnsherr einen Satz ein. „Er war der dritte Sohn meines Cousins und verstarb leider viel zu früh. Für euch jedoch bedeutet das, dass euer Blut dem Meinen gleicht. Der ganze Auftrag diese mehr als lächerlich anmutende große Fass herzustellen war eine Farce.“ Alkwins Gedanken konnten der Situation nicht mehr folgen. „Eine Farce … öhh französisch oder?“ murmelte er. „Es war ein Vorwand euch kennen zu lernen. Politik. Ihr wisst schon – ich kann wohl kaum eure bescheidene Werkstatt besuchen. Die Leute würden reden.“ belehrte der Lehnsherr. Alkwin war nun völlig mit der Situation überfordert und stand mit ungläubigen Blick und offenem Mund da. Das Portal durch das der Lehnsherr eingetreten war viel in Schloss. Alkwins Blick wandte sich in diese Richtung.
In der Tür stand ein Edelmann in voller Rüstung. „Dies ist Herr Gerwich zu Münden, mein geliebter erstgeborener Sohn. Euer Alter sollte etwa dem seinigen entsprechen. Nachdem ich euch nun kennengelernt habe und ihr bewiesen habt, dass ihr den Mut habt die Konsequenzen eurer Taten auf euch zu nehmen, habe ich einen Vorschlag für euch“. Alkwin hatte immer noch den Mund weit offen und verstand die Welt nicht mehr. „Seht – Herr Gerwich ist von edlen Geblüt – jedoch ist er als Edelmann aufgewachsen und deshalb kennt er nur die höfischen Sitten. Er braucht einen Vertrauten aus dem einfachen Volk, um nicht in die politischen Mühlen zu geraten und seinen guten Charakter zu erhalten. Ich bitte euch nun als sein Knappe ihm auch die Weisen des Volkes näher zu bringen.“ „Ich kann doch nicht …“ begann Alkwin zu lamentieren – „Schon wieder Unsinn!“, wetterte der Lehnsherr.
“Ich habe euch auserwählt dem guten Gerwich mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Und ihr habt heute bewiesen, dass seiner würdig seid. Folgt ihm und es werden sich euch Türen öffnen die sonst für euch für immer geschlossen bleiben würden.“ Alkwin wurde neugierig und musterte erst Gerwich dann den Lehnsherren. „Ich kann doch nicht meine Werkstatt aufgeben … Ich meine … Ich finde“ stotterte Alkwin. „Es wird sich für euch lohnen.“ fügte der Lehnsherr hinzu. „…“ Stille füllte den Raum abermals. Alkwin begann zu langsam zu begreifen welche Chance das Schicksal ihm hier bot. „… Ich stehe euch zu Diensten.“ sagte Alkwin schließlich mit zitternder Stimme.
Nach dieser Episode erlernte Alkwin alles Nötige, um im Gefolge des Ritters Gerwich zu Mühlen dienen zu können. Er gab seine Werkstatt auf und begab sich mit Gerwich auf Wanderschaft. Schlacht um Schlacht und Fest um Fest begleitete Alkwin Herr Gerwich zu Münden nun als sein treuer Knappe.
Jedoch hatte er ständig noch eine kleine Stimme im Ohr, die ihn immer wieder auf die oft kunstvoll verzierten Fässer in den Lagern der Edelmänner zu bewundern waren, hinwies. Diese Stimme ist es auch die ihn nach wie vor dazu treibt jedes Fass von außen wie von innen aufs genaueste zu inspizieren.
Auch der Fassboden ist für Alkwin von Interesse. Jedoch ist Alkwin ein recht einfach denkender Geselle und dies wird dem Guten gelegentlich zum Verhängnis. Denn für Ihn gibt es nur eine logische Konsequenz – dass Fass muss leer werden um den Boden zu sehen. Meist führt das dazu, dass Alkwin im Zuge seines ausgeheckten Plans den Fassboden mehr oder weniger vergisst und ganz und gar wieder zu seinen einfachen, mehr oder weniger trinkfesten Wurzeln im Volke zurückkehrt.